Neues aus Arbeitskreis und DBSV-Geschäftsstelle
Führhund und medizinische Einrichtungen
Liebe Hörerinnen und Hörer,
in der Dezemberausgabe unseres Hörmagazins rund um den Führhund hatte ich über die Mailkampagne des Bundesarbeitskreises zum Thema „Mitnahme von Blindenführhunden in Gesundheitseinrichtungen“ berichtet. Aufgrund des enorm hohen Arbeitsaufkommens kurz vor dem Jahreswechsel musste der Versand unserer Rundschreiben allerdings bis nach der Weihnachtspause warten. Gleich zu Beginn des neuen Jahres hat sich Sabine Häcker vom Projekt Führhund des DBSV an die Arbeit gemacht. Knapp hundert verschiedene Adressaten wurden angeschrieben. Dazu zählten Bundes- und Landesärztekammern und kassenärztliche Vereinigungen, Krankenhausgesellschaften auf Bundes- und Landesebene, Rentenversicherungs- und sonstige Rehabilitationsträger. Inzwischen sind auch schon einige Rückmeldungen eingetroffen, was uns sehr angenehm überrascht hat.
Recht positiv reagierte z.B. die Bayrische Landesärztekammer: Sie habe bereits im Jahre 1999 auf Wunsch des bayerischen Gesundheitsministeriums kurz im Bayerischen Ärzteblatt darüber informiert und seinerzeit bereits auf das Gutachten von Herrn Professor Rüden Bezug genommen. Bei Problemen mit Gesundheitseinrichtungen in Bayern, die sich aus der Mitnahme von Blindenführhunden ergeben, könne man sich gerne gezielt an die Bayerische Landesärztekammer wenden.
Von der Landesärztekammer Berlin erfuhren wir, dass bisher Probleme bei der Mitnahme von Blindenführhunden noch nicht an sie herangetragen worden seien, weder von Arzt- noch von Patientenseite. Sofern Kammerangehörige hier um eine entsprechende Beratung nachsuchten, würde man entsprechend der Rechtslage berufsrechtlich beraten. Hilfreich wäre es allerdings, wenn entsprechende Probleme im Einzelfall auch von Patientenseite an die Kammer herangetragen würden. Dann könnte man beratend und erforderlichenfalls auch berufsaufsichtsrechtlich tätig werden. Die Landesärztekammer Berlin wolle prüfen, inwiefern Kammerangeörige über die angebotene berufsrechtliche Beratung informiert werden könnten.
Der Mikrobiologe Dr. Lutz Bader von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern äußerte sich in einem längeren Telefonat mit Sabine Häcker.
Persönlich finde er, dass unter Einhaltung einiger Voraussetzungen und Einschränkungen nichts gegen das Mitnehmen des Führhundes zu einem normalen Arzttermin spricht.
Voraussetzungen seien:
- der Hund benimmt sich diszipliniert
- der Hund ist nicht akut krank oder zeigt gestörtes Allgemeinbefinden. Besonders Fieber, Durchfallerkrankungen oder offene Wunden sind Ausschlusskriterien.
- der Hund ist auch bei Regenwetter sauber bzw. wird vor Betreten der Praxis abgetrocknet.
Aus hygienischer Sicht sei auch gegen die Anwesenheit im Sprechzimmer bei einer normalen körperlichen Untersuchung nichts einzuwenden. Im Labor (bei Blutabnahmen etc.) sei es oft nicht möglich, weil diese Räumlichkeiten häufig sehr eng seien.
Grenzen bzgl. der Hygiene seien aber strikt in bestimmten Abstufungen zu ziehen. Als Beispiele führte er an, dass in Praxen, in denen ambulante OPs durchgeführt werden (zum Beispiel bei Hautärzten) die Mitnahme des Hundes in den chirurgischen Bereich ausgeschlossen ist. Herr Dr. Bader bot an, in verschiedenen Gremien, die überregionale Empfehlungen zum Thema Patientensicherheit und Hygiene erstellen, die Problematik der Führhundhalter anzusprechen. Zudem möchte er bei seine örtlichen Gesundheitsamt ausloten, wie sich die Aufsichtsbehörden zu dieser Problematik stellen. Generell hält er eine Regelung auf Bundesebene für sinnvoll, damit nicht jede Landes-KV sich im einzelnen mit dem Thema befassen muss. Allerdings könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen keine pauschalen Anweisungen erteilen, dass Führhundhalter ihre Hunde grundsätzlich in jede Arztpraxis mitnehmen könnten.
Von der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen wurde uns mitgeteilt, man wolle uns selbstverständlich in diesem wichtigen Anliegen unterstützen. Dies setzea jedoch zunächst eine weitergehende Befassung dieser Thematik in den zuständigen Fachausschüssen voraus. Danach wolle man unaufgefordert auf unsere Anfrage zurückkommen.
Sehr distanziert äußerten sich einige Rentenversicherungsträger. Die deutsche Rentenversicherung Schwaben verwies darauf, dass die zuständige Zuweisungsstelle die Belange behinderter Menschen bei der Platzreservierung berücksichtige. Daher werde eine schriftliche Aufklärung aller angeschlossenen Kliniken als nicht notwendig erachtet.
Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz schrieb:
Zitat: Unbestritten bieten Blindenführhunde eine wertvolle Kompensation vorhandener Defizite; gleichwohl stehen der uneingeschränkten bzw. pauschalisierten Zusage einer Mitnahme von Führhunden auch berechtigte Bedenken beispielsweise in Form denkbarer Hundephobien oder Allergien von Mitpatienten gegenüber, die seitens des Leistungsträgers im Interesse aller Patienten abzuwägen sind.
Auch erscheint fraglich, inwiefern in Bereichen der Rehabilitationseinrichtungen, in denen nach Maßgabe hygieneschutzrechlicher Bestimmungen besondere Vorgaben anzusetzen sind, die Benutzung z.B. des Therapiebades oder Bereichen der Einzeltherapie (Massage, Fango, Wannenbäder, Einzelphysiotherapie) bei Mitführung eines Hundes gewährleistet werden kann.
Derartige Bedenken stehen im Einklang mit der uns zugeleiteten Stellungnahme des Institutes für Hygiene der FU Berlin, wonach besonders gelagerte Umstände, wie z.B. die vorstehend beschriebene Hundephobie oder Allergien von Mitpatienten, durchaus als einschränkende Faktoren zu werten und als solche vom Leistungsträger zu beachten sind.
In Anbetracht weiterer vorstellbarer Hürden stellt ggfs. die Mitnahme einer Dauerbegleitperson einen zielführenden Lösungsansatz dar.
Die Berliner Krankenhausgesellschaft teilte mit, sie habe unsere Hinweise und Informationen “den angeschlossenen Mitgliedsverbänden weitergeleitet, verbunden mit der Bitte, diese im Rahmen ihrer Erörterung mit den ihnen angeschlossenen Krankenhäusern zu beraten”.
Eine gute Nachricht erreichte uns auch aus dem Saarland:
Der Vorstand der Saarländischen Krankenhausgesellschaft hat in seiner Sitzung am 02.02.2012 unser Anliegen beraten. Er ist der Auffassung, dass unsere Schilderung von Problemen bei der Mitnahme von Blindenführhunden in Gesundheitseinrichtungen nachvollziehbar ist.
Die Verwaltungsleitungen der angeschlossenen Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen seien entsprechend informiert worden.
Eine sehr differenzierte Stellungnahme sandte die Bayrische Krankenhausgesellschaft:
Zitat:
Nach Ansicht der Bayerischen Krankenhausgesellschaft muss eine differenzierte Betrachtung erfolgen.
1. Der Blinde mit Führhund als Besucher im Krankenhaus:
Wir schließen uns hier der Empfehlung von Herrn Prof. Dr. Rüden an. Bei Beachtung der entsprechenden Vorgaben sollte ein Blindenhund einen Besucher in die frei zugänglichen Bereiche/Stationen des Krankenhauses begleiten dürfen, da er in diesem Fall nicht als Haustier, sondern als „Hilfsmittel" betrachtet wird. Die dargestellten Einschränkungen, zum Beispiel wenn immungeschwächte Patienten behandelt werden, dürften die Mitnahme eines Führhundes jedoch zur Ausnahme machen. Aus Sicht der BKG ist deshalb immer eine Einzelfallentscheidung notwendig. Daraus resultiert, dass vor dem Besuch eine Anmeldung erfolgen sollte. Damit kann bereits im Vorfeld geklärt werden, ob Einschränkungen bei der Mitnahme des Hundes bestehen und das Personal kann informiert werden.
2. Der Blinde als Patient im Krankenhaus:
Die Mitnahme eines Blindenführhundes in ein Krankenhaus als Begleitung eines Patienten können wir nicht befürworten. Die Behandlung im Krankenhaus erfolgt nur, wenn bei den Patienten Erkrankungen bestehen bzw. die Mobilität vorübergehend so eingeschränkt ist, dass eine ambulante Behandlung nicht möglich ist. Grundsätzlich sind Krankenhäuser personell und sachlich in der Lage, Patienten behindertengerecht zu behandeln.
Es ist dem Krankenhaus aber nicht möglich und nicht zumutbar, den Blindenführhund während des Klinikaufenthaltes angemessen zu versorgen. Beim Aufenthalt in Reha-Einrichtungen muss aus Sicht der BKG ebenfalls im Einzelfall entschieden werden. Es kommt dabei auf die Art der Rehabilitationsmaßnahme an, die Unterbringungsmöglichkeit und die Fähigkeit des Patienten, das Tier selbständig angemessen zu versorgen. Auch hier halten wir die Möglichkeit der Mitnahme eines Blindenhundes eher für die Ausnahme.
Gerne informieren wir unsere Mitglieder über unsere Bewertung der Sachlage um dabei zu helfen, dass die Situation für Blinde oder Sehbehinderte Besucher mit Führhunden in Krankenhäusern verbessert wird.“
Zitat Ende.
Am Rande tauchte die Frage auf: Wird ein Blindenfhürhund zusammen mit dem blinden Patienten im Rettungswagen mitgenommen, z.B. nach einem Verkehrsunfall? Hierüber habe ich mich in der DRK-Zentrale in Freiburg telefonisch informiert. Dort waren zwar bislang keine solchen Fälle bekannt. Es gelte aber folgende grundsätzliche Regelung: Eine Mitnahme des Hundes im Notarzt- oder Rettungswagen erfolgt auf keinen Fall.Bei Unfällen mit Verletzten wird grundsätzlich auch die Polizei eingeschaltet. Falls der Verletzte nicht ansprechbar ist, kümmert sich die Polizei um die evtl. notwendige Beruhigung und anschließende Unterbringung des Hundes. Können keine näheren Verwandten, Freunde oder Bekannten ermittelt werden, die zur vorübergehenden Versorgung des Hundes bereit oder in der Lage sind, kann die Polizei unter Umständen gezwungen sein, den Hund vorübergehend im Tierheim unterzubringen. Um ein derart traumatisches Erlebnis für den Hund zu vermediden, ist jedem Blindenführhundhalter anzuraten, eine Notiz mit entsprechenden Kontatadressen mitzuführen. Dies kann eine schriftliche Notiz sein, oder auf dem Handy entsprechend abgespeicherte Kontaktdaten. Dieser Hinweis gehört zwar nicht direkt zum Thema Zutrittsrecht in medizinischen Einrichtungen. Er erscheint mir jedoch so interessant und wichtig, dass ich ihn in diesem Zusammenhang an Euch weitergeben möchte.
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